Harte Männer gehen nicht zur Therapie

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Männer leiden unter Depressionen und Angststörungen, kämpfen mit Suizidgedanken – und doch suchen weit weniger einen Therapeuten auf als Frauen. Männer spielen schwierige Gefühls- und Gemütslagen lieber herunter und harren lange aus, bevor sie sich ihren seelischen Nöten widmen. Das hat nicht nur Folgen für sie selbst, sondern auch für ihre Nächsten. Egal, ob in Familie, Freundschaftskreis oder Firma.  

Dass harte Männer nicht weinen, wird schon kleinen Jungs eingetrichtert; eigene Probleme werden heruntergeschluckt und verschwiegen. Von Männern wird traditionell erwartet, dass sie sich Problemen stellen und sie lösen – emotionale Verletzlichkeit gilt als Schwäche und Schande.  

Unbeherrschbare Komplexität der modernen Welt

Männer lernen, im Laufe ihres Aufwachsens ihre emotionale Befindlichkeit zu unterdrücken; was so weit geht, noch nicht einmal einen bekümmerten Gesichtsausdruck zu zeigen. Mit der Folge, im späteren Leben als Erwachsener sich seiner Gefühle noch nicht einmal bewusst zu werden, geschweige denn, sie in Worte fassen zu können. Lieber sitzt man mit Kumpels zusammen und leert einen Kasten Bier.  

Doch heutzutage gibt es immer häufiger Situationen, die offen, ungewiss, unabsehbar sind. Angesichts von Komplexität und Kontingenz der modernen Welt, die keine schnellen Antworten oder dauerhaften Standpunkte ermöglichen, erleben Männer häufig Hilflosigkeit. Ein Gefühl, dass mit dem Selbst-Bild von archaischer Maskulinität nicht harmoniert – “schwebende”, nicht-auflösbare Zustände von Unklarheit und Unsicherheit und deren Akzeptanz sind darin nicht vorgesehen.  

Der laute Knall

Freilich: Es ist auf mittlere bis lange Sicht weitaus destruktiver, sich einer therapeutischen Behandlung zu verweigern als eine professionelle Vertrauensperson zu finden, bei der man emotionalen Ballast abladen kann. Zerstörte Ehen und Familien, ruinierte Firmen-Karrieren, schließlich die vorläufige Endstation in einer Klinik – viele Männer brauchen lange, bevor sie den Knall hören. Den dann umso lauter. 

Dennoch sind es häufig die Ehe-Frauen, die ihren Gatten bedrängen, sich in Behandlung zu begeben und gar den Kontakt zu einem Therapeuten herstellen. Manchmal sind es Vorgesetzte, die energisch appellieren, dass man sich etwa wegen unkontrollierter Wutausbrüche professionelle Hilfe suchen solle.  

Training the brain muscle

Es gibt einige Wege, die Negativ-Stigmatisierung von Therapie auszuhebeln, um mit dem inneren Aufruhr klarzukommen, damit zu wachsen und glücklicher zu werden. Selbstverständlich ist es nicht einfach, sich generationenlang konditionierter Mythen über männliche Stärke zu entziehen. Daher sollten Behandlungsansätze nicht darauf abheben, es gehe darum, eine Fehlfunktion zu reparieren. Sondern vielmehr eine Therapie als einen Entwicklungsprozess verstehen: ein mentales Coaching ähnlich dem körperlichen Fitnesstraining, für das jeder gerne in die Muckibude geht. “Training the brain muscle”, heißt es etwa in Hypnotherapie oder MBSR.  

Solcherart verstandene “Mind Fitness” ist in den USA mittlerweile weit verbreitet. Um Anlaufschwierigkeiten zu überbrücken, ist es durchaus üblich, erste (oder gar alle) Sitzungen als “Online Counselling” bzw. “Telehealth Sessions” zu gestalten – in Zeiten der Coronavirus-Pandemie hat entsprechende Video-Software einen großen Bekanntheitsgrad erreicht; der Umgang mit Zoom, GoToMeeting oder Skype ist mittlerweile für jedermann selbstverständlich.  

Und auch wenn viele angesichts endloser Zoom-Meetings im Arbeits-Alltag abwinken mögen, so bietet Online-Coaching die Möglichkeit, in der Geborgenheit der eigenen vertrauten Umgebung und in sicherer Distanz erste Schritte in die Richtung zu gehen, sich gegenüber einem Therapeuten zu öffnen. Gerade die Hypnotherapie ist hierfür sehr geeignet, arbeitet sie doch an der Lösung von Blockaden mit Hilfe von sprachinduzierten Trance-Zuständen – bei denen man sich noch nicht einmal unbedingt im Video-Fenster gegenseitig ansehen muss.